Bildungsministerin Yvonne Gebauer hat es im WDR-Interview angedeutet: Die Schülerinnen und Schüler sollen per “Fernunterricht” weiterlernen, ein Konzept sei in Planung, und die Schulen seien dafür teilweise schon digital ausgestattet. Damit dürfte zum einen die cloud-basierte Arbeitsplattform LOGINEO NRW gemeint sein, die Schulen seit Ende 2019 beantragen können. Und zum anderen sind wohl weitere Maßnahmen in Planung, möglicherweise eine Lernplattform, die virtuelle Klassen- und Kursräume bereitstellen kann.
Arbeitsblätterflut versus zeitgemäßer Aufgaben
Mit LOGINEO NRW bekommen Lehrkräfte eine dienstliche Mailadresse, um beispielsweise Eltern und Schülerinnen anmailen zu können. Außerdem bietet LOGINEO NRW eine Dateiablage mit Freigabefunktionen, um beispielsweise Arbeitsblätter miteinander teilen zu können. Das Problem ist aktuell, dass Schülerinnen und Schüler bisher noch keinen Zugang zur Plattform bekommen, was online auch kritisiert wird (siehe Tweet). In späteren Versionen soll LOGINEO NRW auch noch weitere Funktionen bekommen.
Deshalb sammeln viele Lehrkräfte gerade Mailadressen von Eltern, um ab nächste Woche irgendwie die Schüler erreichen zu können. Aber selbst dann beschränkt sich die Kommunikation auf das Zumailen von Aufgaben und Arbeitsblättern, das Lernen kann auf diese Weise nicht gemeinsam, digital und zeitgemäß gestaltet werden. Denn genau das unterstreicht Gebauers Staatsminister Mathias Richter in seiner neuesten Mail an die Schulen. Sie mögen nicht den Stundenplan Eins-zu-eins zuhause einfordern, sondern “das Lernen z. B. in Form von Projekten, fachübergreifenden Vorhaben oder Vorbereitungen von Präsentationen unterstützen” (noch nicht online verfügbar, siehe Schulmail v. 15.03.20).
Es fehlt eine Arbeits-, Kommunikations- und Lernplattform
Deshalb könnte das Bildungsministerium drei Dinge ganz schnell ermöglichen, und zwar möglichst innerhalb der nächsten beiden Tage, damit in der Schule noch alles organisiert werden kann:
- Die Online-Kommunikation und -Zusammenarbeit von Lehrkräften und Schülern auf einer sicheren digitalen Plattform müsste sofort realisiert werden.
- Die Schulen bräuchten zusätzlich eine Lernplattform, um virtuelle Klassen- und Kursräume einrichten zu können.
- Die Schülerinnen und Schüler bräuchten eine Möglichkeit, ihre eigenen Lernprozesse und Lernergebnisse in E-Portfolios darzustellen und diskutieren zu können.
ONLYOFFICE: Synchrones oder asynchrones, auch kollaboratives Arbeiten an Dokumenten, eingebaut in der Datei-Cloud von EduSharing (Foto (c) Edu-sharing.com)
Die Formel: LOGINEO NRW 2.X plus mebis plus Mahara
- LOGINEO NRW müsste umgehend auf Version 2.0 upgedated werden und dann diese Funktionen erhalten:
- das kollaborative ONLYOFFICE, wie es bereits in der zugrunde liegenden Software EduSharing läuft,
- Benutzerzugänge für Schülerinnen und Schüler und
- die Aktivierung des Single-Sign-On für die Lernplattform Moodle, wie es ebenfalls bereits in EduSharing läuft. (Diese Funktion ist technisch möglich, sie wurde anfangs auch beworben, später vermutlich aus Sicherheitsgründen nicht eingebaut.)
- Das Land NRW könnte aus Bayern die Moodle-basierte Lernplattform mebis kopieren, mitsamt sämtlicher Inhalte, die nicht landes- und nutzerspezifisch sind, also unter anderem
- das Infoportal mit Fächerinhalten, Themenwelten, interaktiver Tafel und Erklär-Videos,
- die multimediale Mediathek zur Ergänzung der vorhandenen Mediathek EDMOND NRW (hier käme wohl der im WDR-Interview von Gebauer angedeutete WDR ins Spiel) und
- den Kursbereich selbst mit fertigen Vorlagen für Klassen- und Kursräume.
- An LOGINEO NRW sollte unbedingt ein E-Portfolio-System wie beispielsweise Mahara (freie Open Source) oder Peppels (kommerziell) angedockt werden, damit Schülerinnen und Schüler zuhause nicht nur ihre Arbeitsblätter bearbeiten, sondern ihren Lernprozess sinnvoll reflektieren und ihre Lernergebnisse zeitgemäß darstellen können. Ein Single-Sign-On zwischen Moodle und Mahara ist technisch bereits realisiert, so sollte über den Login auf der Landesplattform LOGINEO NRW alles erreichbar sein, was man für einen zeitgemäßen Unterricht im 21. Jahrhundert braucht.
Das Wichtigste Element zeitgemäßen, digitalen Lernens: Lernprozesse und Ergebnisse in E-Portfolios darstellen und reflektieren (Foto: eigene Darstellung, (c) bei Land NRW, Medienzentrum Bayern, Mahara.org)
Ich bin da viel bescheidener, M.E. können Schulen auf LOGINEO gänzlich verzichten. Es würde doch ausreichen, wenn das Land allen Schulen einen NextCloud-Hub zur Verfügung stellt. Ab Version 18 ist OnlyOffice in der NextCloud enthalten. Die NextCloud enthält schon heute viele Features, die das KRZN bei LOGINEO noch programmieren muss. Hinzu kommt, dass die Nextcloud ähnlich wie bei Moodle durch Plugins jederzeit vom Anwender (von der Schule selbst) erweitert werden kann.
Logineo besteht im Kern lediglich aus einer rudimentären Benutzerverwaltung (LIS), der OpenSource eGroupware und EduSharing.
Logineo ist lediglich ein Marketingname für ein Sammelsurium von Applikationen. Von einem eigenständigen Produkt mit besonderen pädagogischen Features kann keine Rede sein.
Hinzu kommt noch, dass eine Schule auch noch ein aufwändiges Genehmigungsverfahren einhalten muss, um Softwareapplikationen in Betrieb zu nehmenn. Lt. LOGINEO Bedingungen muss z.B. der Systemanbieter KRZN seine Zustimmung für die Einbindung einer Applikation erteilen. Schulentwicklung wird somit abhängig vom jeweiligen Kenntnisstand und Wohlwollen der Techniker beim Systembetreiber. Hat eine Schule die Hürde beim KRZN genommen, dann kommt die nächste Hürde. Ohne Zustimmung der Medienberatung NRW läuft nichts. Innovation wird nicht gefördert, sondern schon durch das LOGINEO-Genehmigungsverfahren im Keim erstickt. Zum Schluss muss auch noch der Datenschützer beim Schulministerium seinen Segen geben.
Lt. der Firma Metaventis ist “EduSharing ein auf Lerninhalte spezialisierter Cloudspeicher”. Schaut man sich das “Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten – Teil II Referenz an, dann darf der auf “Lerninhallte spezialisierte Cloudspeicher” überhaupt nicht für den Unterricht eingesetzt werden. LOGINEO wird unter “D. weitere Vearbeitungen D.03” aufgeführt.
Abgesehen von diesen Ungereimtheiten kann EduSharing bei weitem nicht dem Datei-/Filesystem einer NextCloud das Wasser reichen. Das NextCloud-Datei-/Filesystem kann vollständige in Moodle integriert werden. Das EduSharing-Plugin für Moodle funktioniet bis heute nicht im LOGINEO Produktionsbetrieb.
Die LOGINEO Befürworter sind besonders stolz auf die Einbindung von Shibboleth, welches ein Singl-Sign-On ermöglicht. Dabei haben die Projekt-Designer übersehen, das beim Singl-Sign-On Verfahren die pädagogisch notwendige Rückkoppelung nicht so ganz trivial ist. Besser wäre es dagegen, den Zugriff auf Medien per LTI-Schnittstelle herzustellen. Mittlerweile hat man den Singl-SignON-Irrweg wohl auch bei der Medienberatung NRW erkannt. Auf die Edmond-Medien kann auch mit der LTI-Schnittstelle zugegriffen werden.
Dies setzt allerdings voraus, das die Lehrkräfte an den Schulen mit einem Werkzeug ausgestattet werden, welches methodisch didaktische Szenarien abbilden kann und LTI beherrscht. Das Land selbst hat einmal mit NRWIR.de das kommerzielle Produkt Fronter pushen wollen und ist damit auf die Nase gefallen.
In der Tat ist es den Bayern nach der MoodleMoot 2009 in Bamberg gelungen, die unkoordinierten Kuddel-Moodle Aktivitäten (Bayern-Moodle, Franken-Moodle,Oberfranken-Moodle, Realschulmoodle, Digitale Schule Bayern – DSB, Hauptschulmoodle etc.) in Mebis zu bündeln.
Heute schielen die NRW`ler neidisch nach Bayern, denen es in den letzten zwei drei Jahren gelungen ist, systematisch Unterrichtsinhalte für Moodle bereitzustellen (siehe https://oer.alp.dillingen.de/ )
Ich kann nur davor warnen, Mebis kopieren zu wollen. Mit den heute zur Verfügung stehenden Techniken dezentrale Systeme zentral zu steuern, würde man m.E. auch in Bayern heute anders verfahren.
Wie verwundbar zentralistische Lösungen sind, ist seit Montag ja bekannt. Mebis gehackt,Totalausfall beim Moodle-BelWü, LOGINEO-Email funzt nicht usw. usw..
Was war eigentlich nochmal der Kerngedanke des Internets (Arpanets)?
Das die Kommunikation trotz dezentraler Rechnerstrukturen sehr gut funktioniert, hat Tim Bearners-Lee mit der Freigabe des Cern-Servers 1992 und HTML bewiesen.
Wir brauchen keine zentralistischen Lösungen. Die NextCloud ist mehr als nur ein Werkzeug, hinter der NextCloud steckt auch eine Philosophie, eine Vision von Frank Karlitschek, die ich teile.
Lernmanagmentsysteme wie Moodle, iTslearning, Webweaver.Canvas etc. gehören in die Hoheit der Schule (außere Schulangelegenheiten).
Lernprozessdaten fallen üblicherweise in der Schule bzw. im schulischen LMS an.
Mit der NextCloud incl. OnlyOffice und Moodle incl. Mahara kann eine Schule systematisch digitale Unterrichtsentwicklung betreiben. Medien können über die LTI-Schnittstelle jederzeit ohne SinglSignOn von Edmond, anderen Lernmanagmentsystemen, sonstigen Medienanbietern (Schulbuchverlagen) genutzt und verarbeitet werden.
Selbstverständlich können pädagogische Tools wie H5P, LearningApps, Quizlet, Kahoot, Padlet usw genutzt werden. Sinnvoller ist es jedenfalls aus schulorganisatorischer Sicht z.B. Learning Apps direkt in das führende LMS zu integrieren.
Danke für deine ausführlichen Präzisierungen, Dieter, mögen deine Worte bis in die zuständigen Stellen reichen.
Grundsätzlich sollten die Daten, besonders die “Lerndaten”, natürlich in der Hand der Schule bleiben. Auf der anderen Seite müssten wir Lösungen schaffen, die den Schulen administrative Arbeit abnehmen. Wenn du deinen Vorschlägen also noch pro 100 Geräte einen Vollzeit-IT-Admins in den Schulen hinzufügst, wird ein Schuh draus.
VG Marc
Du fasst den Bedarf sehr genau zusammen!
Ein funktionales Logineo (mit Collabora oder OnlyOffice, vielleicht sogar mit WebDAV?) mit SuS, ein landesweites Moodle á la mebis und Mahara.
Ich fürchte nur, der angesprochene Zeitrahmen ist utopisch.
Danke für dein Feedback. Das der Zeitrahmen nicht realistisch ist, dürfte sicher jeder/m klar sein 😉
Schick das mal an unsere Chefin in Düsseldorf! 😀 Damit sie das auch sicher liest!
Good luck!
😀